Guten Morgen Berlin (I)

Guten Morgen Berlin,
Du kannst so hässlich sein, so dreckig und grau,
du kannst so schön schrecklich sein,
Deine Nächte fressen mich auf …

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… singt Peter Fox in „Schwarz zu Blau“ und so ein bisschen Recht hat er ja, aber Berlin ist eben eine Großstadt und da gibt’s schöne und auch weniger schöne Ecken. In diesem Jahr ist mir mehr denn je aufgefallen, wie international Berlin mittlerweile geworden ist. Da wo Touristen zu finden sind, herrscht ein babylonisches Sprachgewirr und obwohl mein Englisch eher mäßig ist, war mein Kopf manchmal regelrecht im englisch Modus. Mal bat jemand Platz zu machen, weil er aus der U-Bahn wollte, dann baten zwei Damen mit französischem Einschlag darum einen 20’er in zwei 10’er zu wechseln. Da war der typisch ruppige Berliner Busfahrer schon ein ungewohnter Klang in den Ohren ;-). Jedesmal wenn ich im Zug nach Berlin sitze, habe ich einen Plan mit Zielen im Gepäck. Was ich dabei gerne vergesse, die Wege können weit sein. Manchmal läuft’s gut, ich habe tolle Erlebnisse und bekomme viele schöne Bilder, ein anderes Mal läufts irgendwie anders als gedacht, auch darüber möchte ich heute etwas schreiben. Und dann denke ich manchmal, wie wäre es wohl in Berlin zu leben?

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Drei Tage im Hotel ist natürlich nicht zu vergleichen, mit dem beruflichen Alltag, mit Stau und vollen U-Bahnen. Man muß im Hotel nichts einkaufen, sich nur unwesentlich um etwas zu Essen kümmern und trotzdem überlege ich manchmal, ist der Niederrhein eigentlich meine Heimat? Oder ist das Ruhrgebiet noch meine Heimat? Ich bin mir unschlüssig. Während ich noch den Koffer packe, habe ich ständig das Gefühl etwas vergessen zu haben und wenn ich auf der Heimreise bin, würde ich am liebsten gleich wieder los. Wenn da nicht das schnöde Geld wäre, das mir für ein Leben aus dem Koffer fehlt.

Die Reise startet einen Tag nach dem GröBaZ = größten Bahnstreik aller Zeiten. Die Züge fahren wieder, aber 2 Min. vor Ankunft mit der Ansage „Heute in umgekehrter Wagenfolge“. Da kommt Freude auf, wenn man eigentlich im ersten Wagen gesessen hätte und jetzt im letzten. Laßt mich durch, Bahnsteig frei, ich bin Arzt 🙂 . Danach läuft’s glücklicherweise wie geplant, der Zug erreicht bis auf 2 Minuten pünktlich Berlin Hauptbahnhof und 20 Min. später stehe ich im Hotel „Großer Kurfürst“, das ich übrigens empfehlen kann, weil gutes Frühstück, Heißwasserkocher für Tee/Kakao im Zimmer sowie vier Getränke/Tag und WLAN im Preis enthalten (und das sage ich, ohne daß der Aufenthalt gesponsert ist).

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Was ich an Berlin so liebe, ist daß man, ohne Geschichte speziell mögen zu müssen, trotzdem Geschichte erleben kann. Im letzten Jahr hatte ich euch von der 360 Grad Panoramaausstellung „Die Mauer“ (von Yadegar Asisi) berichtet, dieses Mal gab es an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet öffentliche Panoramen des Berlins im Jahre 1945 „Frühling in Berlin“ (Stichwort 8. Mai, Kriegsende vor 70 Jahren). Gerade die Gegenüberstellung des „alten“ und des „neuen“ Berlins macht hier den Reiz aus. Bei diesen zeitlich begrenzten Ausstellungen spielt natürlich immer ein bisschen Glück mit, gerade zum Veranstaltungszeitpunkt dort zu sein, so wie z.B. im letzten Jahr auch bei der Großbildprojektion zur deutschen Geschichte am Marie-Elisabeth-Lüders-Haus/Reichstag, die mir immer noch Gänsehaut verschafft. Da stehe ich am ersten Panorama auf dem Alex (Alexanderplatz) und lese den Begleittext, als mich ein älterer Berliner anspricht und auf die tägliche Ration Brot im Jahr 1945 verwies. 600 g gab’s nach dem Krieg, aber wer ißt heute noch 600 g Brot am Tag. Irgendwie hat er ja Recht. Ich fahre weiter zum Lustgarten und von dort zum Potsdamer Platz. Mit dem 200’er Bus keine 10 Minuten. Doch dann kam alles anders.

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Stellt euch eine große Straße in eurer Stadt vor. Nein eine noch größere, mehrspurig, 3-4 Buslinien, Taxis, Ausflugsbusse und mehr. Nennen wir sie „Unter den Linden“. Auf dieser Straße stoppt der Bus nach rd. 500 Metern. Eine rote Ampel, aber als es grün wird tut sich nichts. Dann wieder rot, aus der Querstraße kommt ein Auto, dann wieder grün, aber kein Vorwärtskommen. Der Israelische Staatspräsident fuhr wohl vor (oder auch nicht), er war aber angekündigt. „Unter den Linden“ wurde daher voll gesperrt. Da der Bus momentan an einer Fußgängerüberquerung stand und sich auch weitere 3-5 Rotphasen später nichts tat, machte der Fahrer die vorderste Türe auf und wer will durfte aussteigen. Gesagt, getan, aber leider waren auch die alternativen U- und die S-Bahn Stationen am Brandenburger Tor abgesperrt. Also Chaos auf ganzer Linie. Autos hupten, Polizei stand gleich im Dutzend auf der Straße, alles wurde dreispurig in eine einspurige Nebenstraße gelenkt. Mir blieb nur zu Fuß weiter zu gehen, obwohl ich mir vorgenommen hatte am ersten Tag meine Füße zu schonen 😮 .

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Ich erreiche nach einigen Irrungen und Wirrungen noch weitere der Großbildpanoramen und beende den Tag im Park am Gleisdreieck. Auch darüber habe ich im letzten Jahr schon mal berichtet, eine ehemalige Brachfläche direkt am U-Bahnhof Gleisdreieck. Während über euch die U-Bahnen vorbeirumpeln, unter euch der Fernverkehr durch einen Tunnel Richtung Hauptbahnhof rollt, gibt’s hier ganz viel Platz zum Ballspielen, Skateboard- oder Fahrradfahren oder einfach nur zum Sitzen, Picknicken oder Leute beobachten. Bleiben wir beim Thema grün und Park. Der Folgetag startete am Volkspark Friedrichshain. Ein großer Brunnen mit Märchenfiguren erwartet euch am Eingang. Soweit war ich vor Jahren schon einmal, aber dieses Mal wollte ich mir den Park dahinter ansehen. Auf ging’s zum großen Bunkerberg. Pappelsamen lagen auf den Wegen, als hätte es gerade geschneit. Ich also den Weg bergan. Immer weiter bergan, aber ein Oben gab’s irgendwie nicht. Aus dem Wald lugten ein paar Betonreste hervor, vermutlich der Bunker oder was davon übrig war. Insgesamt eher langweilig und daher gleich ab zum nächsten Ziel dem Leisepark.

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Laut ging’s hier tatsächlich nicht zu, denn im vorderen Teil war dieser Park ein Friedhof. Irgendwie lauf ich auch nur in Hamburg und Berlin auf Friedhöfen rum, zu Hause eher nie. Die meisten Gräber waren schon an die 50 Jahre und älter, ein paar frische gab es aber auch. Interessant wurde es dann im hinteren Teil, denn dieser wurde dem Verfall preisgegeben. Mitten zwischen Büschen und Bäumen standen hier halb verfallene Grabsteine und Reste von kleinen Häusern, vermutlich Familiengräbern. Wege dahin gab es z.T. keine mehr. Über mir ein laut krächzendes Elsternpaar, ich habe mich nicht näher rangewagt, vielleicht hatten sie Junge und da sind Vögel ja schon mal angriffslustig. Ich verließ den Leisepark und nach ein paar Metern mit der Tram (Straßenbahn), sollte es mitten in den Bezirk Prenzlauer Berg gehen. Entlang der Knaackstraße, vorbei an kleinen Läden bis zur Kulturbrauerei. Über mir kreiste der Hubschrauber, ich wollte auf keinen Fall irgendeinen Staatspräsidenten o.ä. in meiner Nähe sehen. Stattdessen entdecke ich am Kollwitzplatz das Bratpfannenweib, eine Skulptur aus alten Bratpfannen. Und ich werfe die alten Dinger immer weg 🙂 .

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Mein nächstes Ziel die Kulturbrauerei ist seit 1967 keine Brauerei mehr, sondern heute ein Gebäudeensemble, daß unter Denkmalschutz steht und u.a. Kinos, Theater, Diskotheken und ein Museum enthält. Dieses war mein Ziel, denn dort läuft die kostenfreie Dauerausstellung „Alltag in der DDR“ (Taschen einschließen, Fotografieren erlaubt). Es gibt u.a. den Trabbi mit Reisezelt, jede Menge Orden und Auszeichnungen, den Ferienscheck und eine alte Gastwirtschaft zu sehen. Die Speisekarte empfiehlt heute u.a. Jägerschnitzel, Setzei und gem. Gemüse für 2,65 (Ostmark) :-). Danach habe ich auch Hunger und laufe bis zu Konnopke. Endlich kann ich mal die in allen Reiseführern erwähnte Currywurst probieren, die es nur dort und nicht (Zitat der Webseite) im Onlineversandhandel gibt 😉 . Tja … was soll ich sagen, sie war gut, aber nach Berlin fahren muß man dafür nun auch nicht zwingend. Das kleine Menü (Currywurst, Pommes) für 3,50 €, extra Ketchup für 0,30 € schwupps gleich aufschwatzen lassen, Getränk erfolgreich abgewehrt.

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Dann zu Fuß weiter die Kastanienallee runter, eigentlich auf der Suche nach alten Hinterhöfen, in denen es noch was zu sehen gibt. Ja so ein bis zwei habe ich auch entdeckt, der Rest war vielfach verschlossen. Wie immer habe ich mit der Hausnummerierung gekämpft, denn während hierzulande die gerade Nummern auf der einen und die ungeraden auf er der anderen Straßenseite sind, ist in Berlin die eine Straßenseite aufsteigend von 1 bis irgendwas (man weiß ‚et nicht) und wenn die Straße zu Ende ist, geht’s auf der anderen Straßenseite weiter. Gegenüber von 21 ist also z.B. 157 o.ä. Ich war auf der Suche nach „Kauf dich glücklich“ auf der Kastanienallee 54. Eine Art Modeshop mit Tinnef Kramecke sowie Eis- und Waffelladen. Verrückte Kombination, gell? Draußen waren es an dem Tag sowas um die 25 Grad, drückend, schwül, ich entschied mich für ein kleines Eis, während ich mich ein wenig im Laden umsah. Ich glaube das ist eher was für Mädchen/Frauen 😉 , ich fand’s trotzdem witzig und das Eis war super lecker. Am besten ihr schaut euch das demnächst mal selber an. Es gibt noch einen weiteren Laden auf der Oderberger Str. 44.

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Teil 2 „Guten Morgen Berlin (II)“ coming soon … Bilder findet ihr bei Google+ und Flickr.

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